Deutschlandfunk Köln

Sendedatum: 14.04.98 Sendezeit: 9.35-10.00 Uhr, Länge: 5'35



Einklage des Staatskirchenvertrages durch die Pommersche Evangelische Kirche

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Anmoderationsvorschlag:

Das Land Mecklenburg-Vorpommern hat wohl wie kein anderes Bundesland mit der Verteilung der knappen finanziellen Mittel zu kämpfen. Das hat jetzt auch die Pommersche evangelische Kirche zu spüren bekommen. Die Mittel für die Sanierung alter Kirchengebäude schrumpften für dieses Jahr auf 275 000DM zusammen. Für das Konsistorium in Greifswald Grund genug, nun endlich beim Land die Zusagen des Staatskirchenvertrages einzuklagen.

Susanne Lettenbauer über Einzelheiten:



Bei der Vergabe der diesjährigen Denkmalpflegemittel für die Landeskirchen von Mecklenburg-Vorpommern hat es die Pommersche Evangelische Kirche äußerst empfindlich getroffen. Kontinuierlich wurden die Gelder in den letzten 5 Jahren vom Land gesenkt und liegen jetzt nur noch bei 20% der früheren Summe. Knapp 280 000 DM will das Land Mecklenburg-Vorpommern für seine östliche Kirche ausgeben - das reicht vielleicht gerade für ein bauliches Gutachten:

Unser Gesamtbauvolumen im vergangenen Jahr belief sich auf 19,4 Mill. und das Erfordernis für die Sicherung der denkmalswerten Substanz am Sakralbau der Pommerschen Evangelischen Kirche würde demgegenüber eine Größenordnung haben von 45Mill. (23) 0'19

Kirchenoberbaurat Gunther Kirmis vom Konsistorium in Greifswald ist derjenige, der sich um die Koordinierung des Baugeschehens an Pommerns Kirchen kümmert. Seit das Konsistorium vor 2 Jahren ihre baulichen Kompetenzen an die 4 neuen Kirchenkreise abtrat, sind diese nun ganz auf sich gestellt - bei der gestutzen Finanzierungshilfe vom Land noch mehr ein Problem als vorher:

Wir haben in der Pommerschen Evangelischen Kirche insgesamt 430 Kirchen und Kapellen und man kann davon ausgehen, daß davon ungefähr 96% unter Denkmalschutz stehen. Und daß von dieser Sakralbautsubstanz sich ungefähr 60 Gebäude in einem desolaten, kaum oder nicht mehr nutzungsfähigen Zustand befinden. Das sind einfach 60 Gebäude zuviel.(16) 0'33

Und dabei hatte es nach der Wende so gut angefangen: Mehrere Sanierungsprogramme standen zur Verfügung - das Infrastrukturprogramm, das Förderprogramm der Evangelischen Kirchen Deutschland, Mittel vom Bund und vom Städtebauprogramm. Aber mit dem Jahr 1993 liefen diese Gelder aus. Zwar waren durch das Sanierungsprogramm für Dorfkirchen 33 dörfliche Gotteshäuser wieder nutzungsfähig gemacht worden. Aber das waren eben längst nicht alle bedürftigen Gebäude der zwar flächenmäßig großen aber an Gemeidemitgliedern sehr kleinen Pommerschen Landeskirche. Ein Grund dafür, daß auch Kirchensteuergelder keine Abhilfe schaffen können, so der Sprecher des Konsistoriums Pfarrer Wolfgang Nixdorf:

Die leider weiter abnehmenden Zahlen sind dadurch bedingt, daß sehr, sehr viele Menschen gerade aus dem Gebiet von Pommern wegziehen, speziell in die alten Länder. Wir haben also innerhalb eines Jahres im Gebiet unserer Landeskirche 1507 Gemeindeglieder durch Wegzug verloren.(26) 0'21

Da erscheint den Verantwortlichen die Kürzung der Denkmalpflegemittel um fast 80% seit 1993 fast unglaubwürdig, wenn es nicht wahr wäre. Sie hatten immer auf den Staatskirchenvertrag aus dem Jahre 1994 gebaut, in dem sich die Kirchen und das Land gemeinsam zum Erhalt der sakralen Bausubstanz einsetzen wollten. Die 4 pommerschen Kirchenkreise wissen nur zu gut, daß sie den Erhalt der Gebäude alleine nie schaffen können, die Suche nach neuen Trägern ihrer Kirchen beweist es und deshalb wehren sie sich um so stärker gegen die Senkung der Gelder:

Einmal haben wir bei der Vergabe der Mittel in dem gemeinsamen Termin der Landeskirche und der Denkmalpflegevertreter gegen diese geringen Mittelzuwendungen sofort Widerspruch eingelegt und unser großes Befremden zum Ausdruck gebracht und den Anteil, der uns da zugesprochen wurde als skandalös bezeichnet. (19) 0'20

Die Zeit ist gekommen, die Zusagen des Staatskirchenvertrages beim Land Mecklenburg-Vorpommern einzuklagen, so die Meinung von Oberkonsitorialpräsident Martin Harder. Daß sie gerichtlich vorgehen werden, ist erst einmal nicht abzusehen, da der Vertrag diese Möglichkeit nicht hergibt - vorerst nicht. Das Konsistorium ist sich aber einig...:

...daß wir also versuchen wollen, einerseits im direkten Gespräch mit Vertretern der Regierung, des Landes diese Schwierigkeiten und auch Probleme noch einmal zur Sprache zu bringen. Es wird auch so sein, daß auch unser Regierungsbeauftragter, den wir haben, ebenfalls bemüht sein wird, hier ein Schritt voranzukommen und wir werden darüber hinaus versuchen, wo und wie wir nur können, daß der Erhalt der Kirchen eben nicht nur Aufgabe der Kirche ist sondern Aufgabe aller Menschen in unserem Land und von daher auch Aufgabe unserer Regierung. (31) 0'45

Aber Mecklenburg-Vorpommern ist noch immer das ärmste Bundesland Deutschlands, in dem nicht nur die Landeskirchen kürzer treten müssen. Wie will man auch einem Regierungsvertreter beweisen, daß bei einer ständig sinkenden Zahl von Gemeindemitgliedern auf derzeit 135 000 in der Pommerschen Landeskirche Zuschüsse in Millionenhöhe für die zu erhaltenden Kirchenbauten notwendig sind. Es geht dem Kirchenoberbaurat und den Mitgliedern des Greifswalder Konsistoriums um etwas anderes:

Ich denke, Kirchen haben einen Zeugnischarakter. Wir stehen in der Verantwortung von unseren Vätern und auch unseren Enkeln, diese Zeugnisse der Glaubens,-Kultur- und Kirchengeschichte zu bewahren. Und Kirchen sind aus meiner Sicht heraus für Christen und Nichtchristen gleichermaßen Identifikationsobjekte. Sie vermitteln ein Zuhause und eine Geborgenheit und wir dürfen heute unseren Menschen, bei aller Mobilität, dieses Heimatverbindende, eine Kirche, nicht nehmen.(35) 0'40