NDR 3 Musikforum
Sendedatum: 01.05.98
Sendezeit: 15.00-16.00 Uhr, Länge:
5'16 Theater Vorpommern: Deutsche Erstaufführung der Kammeroper "Jemand habe ich gesehen" von Karólina Eiríksdóttir, Freitag 01.05.98 zur Eröffnung der nordischen Kulturtage Nordischer Klang
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Anmoderationsvorschlag: Das Theater Vorpommern macht bereits seit einigen Jahren mit ungewöhnlichen Opern-Aufführungen skandinavischer Komponisten auf sich aufmerksam. Das liegt einerseits am Engagement des schwedischen Chefdirigenten Per Borin am vorpommerschen Haus, aber auch die Hansestädte Greifswald und Stralsund sowie die Universität von Greifswald, die sich als Brücke zum Norden verstehen, haben dazu beigetragen, wie die alljährlich veranstalteten nordischen Kulturtage Nordischer Klang ebenfalls zeigen.
Am vergangenen Freitag war nun am Theater Vorpommern die deutsche
Erstaufführung der isländischen Kammeroper "Jemand
habe ich gesehen" von Karólina Eiríksdóttir
und der schwedischen Lyrikerin Marie Louise Ramnefalk. Susanne
Lettenbauer hat sich die Inszenierung auf der Hinterbühne
des Theaters in Greifswald angesehen:
Das Thema, dessen sich die schwedische Lyrikerin vor fast zwanzig Jahren angenommen hatte, ist nicht neu: Der Verlust des Freundes, des Mannes oder Geliebten durch eine unheilbare Krankheit. Marie-Louise Ramnefalk schrieb 1979 die Gedichtsammlung "Jemand habe ich gesehen", kurz darauf erhielt sie von der Akademie in Vadstena den Auftrag für ein Opernlibretto nach diesen Texten - und entstanden ist eine Kammeroper intimer, manchmal selbstzerstörender Gedanken: O-Ton: Nr.51: Atmo mit Klemm (ab 6sek.) Laß uns navigieren nach den Sternbildern. Halt meine Hand, wenn dir schwindelt,... Er ist sterbenskrank, ein Tumor zerfrißt seinen Körper, doch Er will sich noch vergewissern, was ihn mit dieser Frau verbindet, mit der er jahrelang zusammengelebt hat. O-Ton: weiter bei ...eine Handbreit Schwärze zwischen uns... bis 0'56 vor ...Destination Ein Ende an Plastikschläuchen, gegeißelt von Schmähworten aus dem Totenreich oberhalb der Bühnenwirklichkeit - ist das alles, was bleibt? Das Zusammenleben ist für die Lyrikerin Ramnefalk eine Mischung aus Gewohnheiten und Absichten. Im Angesicht des Todes aber zählt das nicht mehr, stattdessen kommt die Angst, nicht mehr vor sich selbst bestehen zu können, weil man sich im anderen nicht mehr wiederfinden kann. Sie kann ihm nicht mehr sagen, wann und wieviel Tabletten er täglich nehmen soll, wo der Pyjama liegt und das er seit gestern schon wieder Bartstoppeln hat: O-Ton: Nr.40 (Grund für Libretto- Marie-Louise Ramnefalk) Es gibt für meine Gedichte teilweise einen biografischen Hintergrund, teilweise aber auch überhaupt keinen Bezug zu meinem Leben. Ich bin Schriftstellerin, das ist mein Beruf und deshalb schreibe ich Gedichte. Dieses Thema hat sich meiner gewissermaßen angenommen und ich habe daraus dann eine Gedichtsammlung gemacht. Die Vertonung der Gedichte zog sich für Marie-Louise Ramnefalk Anfang der 80iger über mehrere Jahre hin, ehe sie die isländische Komponistin Karolina Eiriksdottir dafür gewinnen konnte. Eiriksdottir, Absolventin der University of Michigan und Musikprofessorin in Rejkjavik, ist die bekannteste und mit häufigen Auftritten im Ausland auch die erfolgreichste Komponistin ihrer Heimat Island: Nr.46 (über Gedichte- Karolina Eiriksdottir) Das war für mich eine ziemlich schwere Sache, aber ich dachte, die Gedichte sind sehr schön, sehr tiefgründig, mit tiefem Gefühl. Diese Gedichtsammlung handelt von einem schwierigen Prozeß. Da wird jemand sterben und das hat sie sehr poetisch dargestellt, in sehr schönen und auch deutlichen Worten. Beide schrieben gemeinsam das Libretto, Eiriksdottir achtete auf den Wechsel von strikt traditioneller zu disharmonischer Musik und 1988 war dann die Uraufführung im schwedischen Vadstena. Die Inszenierung in Greifswald am Theater Vorpommern unterscheidet sich grundsätzlich von allen früheren Aufführungen der Kammeroper. Als deutsche Erstaufführung beinhaltet sie einige für deutsche Theater charakteristische Momente. Es wird nicht nur auf deutsch gesungen, sondern auch das Bühnenbild spart mit Hinweisen auf den Inhalt der Oper. Regisseurin Sara Erlingsdotter aus Schweden, das erste Mal an einem deutschen Theater und im Opernmetier, ist postiv überrascht über die freizügigeren Inszenierungsmöglichkeiten in Greifswald: Nr.56 (anderes Bühnenbild-Sara Erlingsdotter) Das war im Grunde eine Idee vom Theater hier und von der Bühnenbildnerin Henrike Bromber, daß man das ganze auch wirklich als Kammeroper darstellen sollte und ich denke, das war eine sehr gute Idee. Man sitzt auf der Hinterbühne sehr nah bei den Schauspielern auf Podesten, kann genau das Mienenspiel der Darsteller erkennen, alles wirkt sehr intim. Ganz fantastisch finde ich auch die Galerie oberhalb der Zuschauerreihen, von der die Stimmen des Todesreiches kommen. Metaphernreich nimmt sich die Lyrikerin Ramnefalk dem Motiv des Todes in ihrer Kammeroper an. Und für die Aufführung in Greifswald hatten die beiden Autorinnen gleich doppeltes Glück: Der Chefdirigent des vorpommerschen Hauses, Per Borin, stammt aus Schweden und hatte bereits vor 9 Jahren die Uraufführung des Werkes in Vadstena dirigiert. Später führte er die Oper dann auch in Rejkjavik auf: Per Borin: Nr.62 (isländische Eigenart) 0'31 + Nr.64 ...ich finde, diese Spannung zwischen...es ist mehr mit Dissonanzbehandlung. 0'40 Nr.52 (Ende 1.Akt) 0'39 Und noch eine kleine Episode am Rande: Für den erkrankten Hauptdarsteller Mathias Degen sprang kurzfristig der frühere Chefdirigent des vorpommerschen Theaters Ekkehard Klemm ein. Der ehemalige Thomaner ist jetzt am Gärtnertheater München engagiert. Aber wenn eine isländische Kammeroper in Greifswald wartet, ist München doch nicht so weit entfernt, wie man vielleicht denken könnte. O-Töne Übersetzung: Nr.40 (Grund für Libretto-Ramnefalk) Es gibt für meine Gedichte teilweise einen biografischen Hintergrund, teilweise aber auch überhaupt keinen Bezug zu meinem Leben. Ich bin Schriftstellerin, das ist mein Beruf und deshalb schreibe ich Gedichte. Dieses Thema hat sich meiner gewissermaßen angenommen und ich habe daraus dann eine Gedichtsammlung gemacht. Nr.46 (über Gedichte-Eiriksdottir) Das war für mich eine ziemlich schwere Sache, aber ich dachte, die Gedichte sind sehr schön, sehr tiefgründig, mit tiefem Gefühl. Diese Gedichtsammlung handelt von einem schwierigen Prozeß. Da stirbt jemand und das hat sie sehr poetisch dargestellt, in sehr schönen und auch deutlichen Worten... Nr.48 Die Gedichte fordern sehr viele unterschiedliche musikalische Ideen heraus, da gibt es die Stimmungen, die Gefühle. Viele von ihnen sind intuitiv, aber dann ist da wieder der Doktor mit seiner Medizin und das muß man völlig anders verarbeiten. Nr.51 Zuerst dachte ich aber, daß es für mich schwer werden würde, mich ein ganzes Jahr nur mit Krankheit und Tod zu beschäftigen, und ich wußte auch nicht wie ich diese Gedichte in eine Oper verwandeln sollte. Aber letztendlich ging es doch. Nr.57 (anderes Bühnenbild-Sara Erlingsdotter:)
Das war im Grunde eine Idee vom Theater hier und von der Bühnenbildnerin
Henrike Bromber, daß man das ganze auch als Kammeroper darstellen
sollte und ich denke, das war eine sehr gute Idee. Man sitzt auf
der Hinterbühne sehr nah bei den Schauspielern auf Podesten,
kann genau das Mienenspiel der Darsteller erkennen, alles wirkt
sehr intim. Ganz fantastisch finde ich auch die Galerie oberhalb
der Zuschauerreihen, von der die Stimmen des Todesreiches kommen.
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