NDR 4 Horizonte
Sendedatum: 10.04.98
Sendezeit: 10 -12 Uhr, Länge: 4'48 Vorpommersches Design Die Grafikdesign-Schule von Anklam - Probleme und Zukunftsvorstellungen
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Anmoderationsvorschlag: Grafikdesign-Schulen gehören in Deutschland mittlerweile zum Alltag. Es gibt sie in jeder größeren Stadt der alten Bundesländer gleich mehrmals. Für die neuen Bundesländer ist die private Grafikdesign-Schule von Anklam ein Novum gewesen - umso erstaunlicher, da sie in Vorpommern aufgebaut wurde, einem der ärmsten Landstriche Deutschlands. Nun soll sie noch weiter ausgebaut werden.
Susanne Lettenbauer hat sich in der Schule umgesehen:
Strenge Formen ist gleich klares Denken - das ist der erste Eindruck von dem Gebäude im Bauhausstil an der Ausfallstraße gen Westen, in dem seit kurzem die Grafikdesign-Schule von Anklam ihr Domizil hat. O-Ton: Eingangsatmo Schwere Eisentüren, dahinter ein kahler weißer Treppenaufgang mit wenigen Schülerentwürfen an den hohen Wänden - so empfängt einen die ehemalige Möbelfabrik. Jetzt Eigentum der Schule verbreitet das Gebäude eine Werkstattatmosphäre, von der sich die Verantwortlichen ein gutes Lernklima erhoffen. Von hier aus soll nun der Beruf eines Grafikdesigners auch in Vorpommern stärker verbreitet werden, sollen die einheimischen Firmen von einheimischen Absolventen bei der Firmenwerbung unterstützt werden, doch bislang ist den Anklamern die Schule eher suspekt als angenehm, so Otto Kummert, der Schulleiter: Naja, die Leute nehmen uns in sofern an, solange sie geschäftlich an uns interessiert sind. Die Stadt ist eigentlich sonst im Großen und Ganzen wenig mit uns bisher verbunden... Sagen wir mal so, die Ämter sind noch ein wenig weit entfernt von uns. Das wird sich, denke ich mir, aber geben, wenn die Schule hier in der Stadt zunehmend ihre Bedeutung festigt, dann wird sich das selbstverständlich ändern.(1) Diesen Optimismus kann er mit gutem Grund vertreten, denn seine 160 Studenten, die von Gymnasien oder Realschulen zu ihm zur 3jährigen Ausbildung kamen, werden auch schon mit ersten wirklichen Aufgaben betraut, bei denen die Schule an die Öffentlichkeit tritt, z.B. bei den Usedomer Musikfestspielen: Wir sind eigentlich dabei, neue gestalterische Ideen einzubringen, z.B. bei der Entwicklung eines guten und dauerhaften visuellen Erscheinungsbildes, das so beständig ist und das auch internationales Niveau verkörpert. Auf der anderen Seite werden wir auch ganz konkret die Printstrecken vorbereiten helfen, die Prospekte, Kataloge und alles was da kommt, Plakate, das werden wir praktisch schon richtig professionell hier bearbeiten.(5) Also gleich eine Möglichkeit für die angehenden Grafikdesigner, sich mit dem Land Vorpommern auseinanderzusetzen und die Eigenart der Umgebung in Zeichen zu abstrahieren, die in der ersten Zeit noch auf vorsintflutlich anmutenden Druckmaschinen fertiggestellt werden. Die Druckerei, der Stolz der Schule, verbreitet den Charme eines Industriemuseums. Längst ausrangierte Druckmaschinen aus Berliner Verlagen kommen unter den Schülerhänden zu neuen Ehren, also Reduzierung auf das Wesentliche, wie es die vorpommersche Landschaft vorlebt? Ich komme aus dieser Richtung und meine, das sind letztenendes auch die Erfahrungen, die man am Computer verwendet. Ich denke mir aber, daß man das von der Pike auf erlernen muß und mit diesen Dingen umgehen muß, viele originale Techniken noch zu erhalten und nicht alles auf den Computer zu reduzieren. Der Computer nimmt ja vieles von der Phantasie weg und beantwortet nicht alle Fragen gestalterischer Art, die wir individueller Natur haben. Vom Industriemuseum an den Computerbildschirm sind es nur wenige Schritte, zumindest hier in der Schule. Otto Kummert, gebürtiger Anklamer weiß, daß das auch für das Land zutreffen wird und muß. Ab Herbst kommt die Ausbildung zum Screen-Designer dazu: Das Graphikdesign ist in der heutigen Zeit ohne die digitale Technik nicht denkbar, im Gegenteil. Ich meine einfach, daß sie dadurch auch ganz entschiedene Impulse bekommt. Aber wir sind daran interessiert, daß die jungen Leute die Strecke von Grund auf, kontinuierlich erlernen, alo mit einer gewissen gestalterischen Kontinuität durch die Welt gehen.(3) Gemeinsam mit den 32 auf Honorarbasis lehrenden Professoren und Künstlern versucht der Vorpommer Kummert, die Eigenart seiner nordöstlichen Landschaft in Entwürfe und Arbeiten mit einzubeziehen, aber das ist schwierig: Ich denke mir, daß ist viel zu vielschichtig, als das man das so vereinfachen kann...also ich würde das schon gar nicht so reduzieren wollen, ich denke mir nur, daß es einige Merkmale gibt bei den Menschen und dazu dann diese markante Landschaft, eine wunderschöne Landschaft. Und damit kann man eine ganze Menge anfangen, denn es gibt hier eine Rohstoffbasis, die wir nur noch nicht begriffen haben, das ist meine Meinung.(7) Und diese Rohstoffbasis ist für ihn Holz, Sand Wasser, also eigentlich ziemlich elementare Dinge, mit denen er auch sein nächstes Projekt der Umgestaltung von Bahnhöfen auf Rügen realisieren will. Aufbauend auf der alten Substanz soll mit Hilfe von neuem Design das Alte stärker hervorgehoben werden. Kummert beabsichtigt damit aber nicht: ... daß man nun alte Bänke dort wieder hinstellt oder alte Bänke nachbaut oder so etwas, sondern daß man sich sorgfältig überlegt, wie ist das was wir neues hinzutun nun in einer guten Übereinstimmung mit dem, was denn schon vorhanden ist...nein, keine Nostalgie, keinesfalls...Aber gerade diese spezifische Sicht, dieses ganz besondere Erscheinungsbild der Bahn, das sollte man eigentlich im Wesentlichen erhalten...Also die Form, die man dan sucht, die soll nicht alt gemacht werden, sondern eben auch mit den heutigen zeitgemäßen Mitteln arbeiten. Aber dabei auch immer bedenken, daß es hier eine Industrie gibt, die eigentlich am Leben erhalten werden muß bzw. lebendig gemacht werden muß, wenn sie denn schon im Absterben begriffen ist, daß man eben Holz verbraucht. Wie geht man denn heute mit Holz um auf den Bahnhöfen, was kann man damit noch tun und eben nicht alles nur noch aus Plaste pressen.(11) Dieser Ansatz geht schon ein wenig in die Richtung, die das Design-Zentrum Vorpommern, ebenfalls von Kummert geleitet, durch die Nordosteuropäischen Design-Konferenz mit Sitz in Anklam einschlagen möchte. Die angestrebte Kooperation mit Kollegen aus Polen, Skandinavien und dem Baltikum könnte neue Designentwürfe für Vorpommern anregen, so der Wunsch.
Und bis dahin hat sich die Schule vielleicht mehr Anerkennung
im Land erkämpfen können und wird nicht mehr so mit
Nichtachtung gestraft wie z.B. vom Tourismusverband Mecklenburg-Vorpommerns,
aber das liegt ja vielleicht an der Vorgeschichte des ehemaligen
ArtDirectors Otto Kummert an der Kunsthochschule von Berlin-Weißensee.
O-Ton: Ausgangsathmo |