NDR 1 Kulturjournal
Sendedatum: 5.9.97Sendezeit: 19.00 Uhr, Länge: 3'27



Ausstellung Arno Schmidt 1914-1979 im Ausstellungszentrum der Universität Greifswald

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Anmoderationsvorschlag:

Der Hans-Fallada-Verein in Greifswald hat schon mit seiner Wolfgang-Köppen-Ausstellung gezeigt, daß er sich nicht nur auf den Schrifsteller Hans Fallada konzentrieren, sondern das literarische Leben Greifswalds auch anderweitig bereichern will. Bei der Beschäftigung mit Köppen ist der Verein vor einer Weile auf das Werk des Schriftstellers Arno Schmidt gestoßen, eines Seelenverwandten aus der Nachkriegszeit.

Nun hat sich die Greifswalder Uni gemeinsam mit dem Fallada-Verein und der Arno-Schmidt-Stiftung eine Ausstellung zu Leben und Werk Arno Schmidts in ihr Ausstellungzentrum geholt.

Zur Ausstellungseröffnung waren auch der Vorsitzende der Arno-Schmidt-Stiftung, Jan Philipp Reemtsma mit seinen Mitarbeitern Joachim Kersten und Bernd Rauschenbach gekommen, die mit einer Simultanlesung das Verständnis des Autoren erleichtern wollten.

Susanne Lettenbauer war dabei:




Es ist ein Sommertag auf dem Dorf. Das Ehepaar Jacobi sitzt im Garten und redet. Er, Paul, versucht Edgar Allan Poe zu übersetzen, daneben seine Frau Wilma samt Tochter. Und jeder erzählt:

O-Ton: 0135-0179 Was willst du nehmen...of easiest.

Der Schrifsteller Arno Schmidt hatte 1968 diese Familie erfunden - oder hatte, besser gesagt - niedergeschrieben, wie es in jeder gewöhnlichen Familie zu Tisch zugeht...der Vater versucht etwas zu sagen, sie hat ein ganz anderes Thema und die Tochter? Irgendwann fällt auch ihr etwas unpassendes ein, z.B. bei den Radioberichten:

O-Ton: Ne, sag was du willst...mißbraucht Bäckerlehrlinge! 0360-0392

Arno Schmidt, der Schriftsteller aus dem niedersächsischen Bargfeld, stets arm, voller Ironie und Humor, wußte eigentlich immer, daß er von seiner Art zu schreiben, nicht reich werden konnte. In seiner selbstkritischen Art fand er die Welt groß genug, Unnützes tun zu können. Z.B. dieses Buch zu verfassen, "Zettels Traum", das 1100 Seiten im ungewöhnlichen A3 Format umfasst, also eine Lektüre, groß genug, das Kissen im Bett zu ersetzen.

Ein Exemplar davon ist mit in der Ausstellung im Greifswalder Ausstellungszentrum der Universität, auch all die anderen Bücher sind zu sehen, z.B. "Leviathan" das erste Werk oder "Die Schule der Atheisten" von 1972. Nicht chronologisch soll die Anordnung all der Zettel, Briefe, Formulare und Zeichnungen sein, sondern eher spröde wie Schmidt selber war, so der Initiator Gunnar Müller-Waldeck vom Falladaverein.

Arno Schmidt, dessen Werke man heute recht vergeblich in Bücherläden sucht, lebte von 1914 bis 1979 ein unspektakuläres Leben nach außen hin, er hatte in den 30iger Jahren eine Kaufmannslehre absolviert, ging zum Militär, mit dem er in Europa herumkam...Frankreich, England, Schweden, Norwegen und Dänemark waren die Stationen. Und überall zeichnete und schrieb er.

Hermann Hesse bezeichnete ihn einmal als den "wirklichen Dichter", einer der auch die Schattenseiten des Lebens kennengelernt hatte.

All der Unterlagen, die Schmidt nach seinem Tod 1979 hinterließ, nahm sich der Hamburger Jan Philipp Reemtsma an und gründete eine Stiftung, die sich für das Haus Arno Schmidts in Bargfeld, seinen Nachlaß und dessen Veröffentlichung verantwortlich fühlt. Reemtsma lernte Schmidt Ende der siebziger Jahre kennen:

O-Ton: Schmidt war ein sehr altmodischer...sympatischer Herr...kein besonderes Bild gemacht. 0512-0549

Reemtsma, der eher durch sein Hamburger Institut für Sozialforschung bekannt ist, liegt die Verbreitung des Werkes Arno Schmidts so am Herzen, daß er seit 10 Jahren gemeinsam mit Kollegen der Arno-Schmidt-Stiftung Bargfeld auf Wunsch eine Simultanlesung macht. Bei dieser Simultanlesung lesen die drei Herren jeder seinen Part, stellenweise sogar gleichzeitig, wie anfangs gehört. Und dabei fällt auch am meisten die immer wieder beschworene Ähnlichkeit Schmidts mit James Joyce auf, dem englischen Autor, der die literarische Lautmalerei salonfähig machte.

Die eigentliche Faszination der Werke geht aber von der Mischung naturwissenschaftlich Genauem mit Emotionalem aus. Besonders im Spätwerk macht Schmidt dies durch veränderte Schreibweisen deutlich. Plötzlich werden Substantive klein, Verben groß und Gleichheitszeichen stehen mitten im Wort. Dies macht die Lektüre natürlich schwierig, Reemtsma meint aber:

O-Ton: Arno Schmidt wird auch nicht weniger...westöstlichen Diwan. 0573-0630

Schmidt mit Goethe vergleichen zu wollen, wäre wohl übertrieben, aber mit der Sorgfalt, mit der die umfangreiche Ausstellung in Greifswald zusammengestellt wurde, kann man denken, daß Arno Schmidt zumindest Reemtsma und seinen Kollegen Goethe ebenbürtig ist.

Abmoderation:

Die Ausstellung ist noch bis zum 5.Oktober im Ausstellungszentrum der Universität Greifswald zu sehen.