Wie rächt man einen Schweineschwanz?

Daniel Katz' neuer Roman "Der falsche Hund" (Luchterhand 1997, Aus dem Finnischen von Gisbert Jänicke, Originaltitel: saksalainen sikakoira), DM 42,00

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Anmoderationsvorschlag:

Daniel Katz, 1938 in Helsinki geboren, ist ein Autor finnisch-jüdischer Herkunft mit der Muttersprache Schwedisch. Seinen ersten Erfolg hatte er in Deutschland mit dem Roman "Als Goßvater auf Skiern nach Finnland kam" (1974). Mit seinen Werken versucht Daniel Katz, seine jüdische Herkunft und die Herkunft seiner Familie zu ergründen und wandelt dabei nur leicht Autobiografisches in Fiktives um.

Sein neuer Roman "Der falsche Hund", der gerade bei Luchterhand erschienen ist, behandelt die Situation der Juden im 3. Reich und ganz besonders die seines Vaters im Pommern der 30iger Jahre. Katz, der die frühere DDR durch Reisen sehr gut kennt, der Vorlesungen an der Uni Greifswald hielt und dessen Frau in Rostock Medizin studierte, schrieb ein Teil dieses Romans 1991 in Vorpommern, wo die Handlung auch teilweise spielt.

Susanne Lettenbauer über das neue Buch von Daniel Katz und sein Verhältnis zu Vorpommern:

BAND: A. Der Autor Daniel Katz bekam vor gut sechs Jahren von einer Unbekannten...

E. ... kommt die Polizeistunde. Auch hier in Eggenow.(Zitatende)

Skript

Wie rächt man einen Schweineschwanz?

Daniel Katz' neuer Roman "Der falsche Hund" (Luchterhand 1997, Aus dem Finnischen von Gisbert Jänicke, Originaltitel: saksalainen sikakoira)

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Der Autor Daniel Katz bekam vor gut sechs Jahren von einer Unbekannten aus Israel das Tagebuch seines Vaters. Kurze Zeit später setzte er sich aufs Fahrrad und radelte auf den Spuren der väterlichen Notizen nach Vorpommern über Finnland und Schweden, nach Eggesin:

O-Ton: Mein Vater war ja in einem kleinen Hotel...gute Grundlage für ein Buch. 198-264

Zitat:

Im Bahnhofsrestaurant zu Eggenow herrschte eine ruhige, fast verschlafene Stimmung, wie immer auf Kleinbahnhöfen, deren Gäste nicht die Absicht haben, irgendwohin zu reisen. Beharrlichere Leute sind schwer zu finden.[...] Züge gingen nur in zwei Richtungen, ein paar pro Tag, sie hielten immer auf diesem Bahnhof, immer zur selben Zeit, immer auf demselben Gleis, von dem sie auch abfuhren. Es war unmöglich, sich in Ihnen zu täuschen, unmöglich, sich zu ihnen zu verspäten.

Mauri Pertuska, der Gymnasialdirektor und Studienrat für Leibesübungen und Sprachen ist da eingetroffen, wo 60 Jahre zuvor sein Vater lebte. Mauri hat sich auf den Weg gemacht, um seinen Vater zu rächen, nachdem er das Tagebuch bekam.

Bevor der Studienrat aber seine Fahrradreise auf den Spuren des Vaters begann, stellte der Arzt einen Schatten auf der Lunge fest...Krebs?

Darauf geht Mauri erstmal in seine Stammkneipe "Zu den sieben Todsünden, um einen zu trinken...muß sich dort aber - als Jude - die Ansichten eines Jungnazi über Vernichtungslügen und Rassentheorien anhören:

O-Ton: Ich mußte früher oder...aber sehr ernsthaft. 0018-0047

Dieser Igelkopf muß getötet werden, wie überhaupt Nazis bestraft werden müssen, so der Schluß aus dem Kneipenbesuch...und war nicht auch sein Vater beleidigt worden...damals 1936?

Daniel Katz läßt seine Erlebnisse in Vorpommern mit denen von der Hauptperson Mauri sehr verwischt, man ist gewollt, sie wörtlich auf den Autoren zu übertragen, wie jene Szene, in der er von einem Wirt in der Nähe von Anklam rausgeschmissen wird, weil dieser ihn für einen Polen hält...doch ganz so schlimm war seine Reise nicht:

O-Ton: 1133-1212

Es gab so viele Leute, so viele junge Leute, die keine Arbeit hatten, aber sie blieben ruhig, wir tranken zusammen ein bißchen in der Kneipe. Das wir ziemlich gut. Einge von ihnen waren früher Polizisten, einige waren in der Volksarmee als Soldaten und einige waren nur arbeitslos, einige waren Jungkapitalisten. Aber wir tranken alle zusammen, da hatten sich...wie soll ich es sagen...noch keine besonderen Gruppen gebildet, bestimmte soziale Niveaus, das waren alles nur Junge. Und alle saßen am gleichen Tisch. Ich denke, daß ist jetzt nicht mehr möglich. Nun gibt es schon die Ober-und Unterklasse. Es gibt bei uns den Begriff: Wenn du eine Arbeit hast, kommst du damit klar und sitzt in einem Restaurant - wenn du keine Arbeit hast, sitzt du in der Eckneipe und kommst damit klar auf eine besondere Art.

Zwischen 1936 und 1991 liegen mittlerweile drei politische Systeme, in denen sich vieles geändert hat, nur die Abrechnung mit den Deutschen ist geblieben, weshalb der Roman auf finnisch auch "Der deutsche Schweinehund" heißt.

Die von Anfang an geplante Vergeltung für den Schweineschwanz ist in Eggenow beinahe vollendet, diese Rache, die Mauri fast den Krebs vergessen läßt, der täglich wächst. Und diese Rache trifft Herrn Ullrich, 80 Jahre alt und Inhaber jenes Gasthauses, wo 1936 der Vater des Finnen Pertuska abstieg...sein Name im Fremdenbuch wurde von Ullrich mit einem gelben Davidstern gekennzeichnet und hatte entsprechende Folgen.

Mauri alias Daniel Katz hat nun die Puzzleteile beisammen. Die Krankheit ließ ihm die Zeit und er genießt sie noch:

Zitat:

Beträchtlich ausgetrocknet, aber immer noch mit meiner eigenen Lunge keuche ich abends ins Eggenower Bahnhofsrestaurant, auch wenn der eine Lungenflügel, von mir aus gesehen, der linke, nur teilweise arbeitet. Wie teilweise weiß ich nicht. Es hat mich nie interessiert. Das Endergebnis ist jedenfalls klar.[...] Früher oder später kommt die Polizeistunde. Auch hier in Eggenow.