NDR 3 HH, Musikforum Sendedatum: 21.10.99, Sendezeit: 14.05 Uhr Uhr, Länge: ca. 5'00



48. Wexford-Opernfestival 14.-31.10.99

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Anmoderationsvorschlag:



In der kleinen irischen Hafenstadt Wexford, 100 Kilomter südlich von Dublinhat vergangene Woche das 48. Fetsival of the Opera begonnen. Bis Ende Oktober stehen jeden Tag mindestens zwei Veranstaltungen mit klassischer Musikauf dem Programm, Kammerkonzerte, die Uraufführung des irischen Werkes Wall of the Clouds", drei Opernpremieren, eine Faust-Inszenierung, die Dreigroschenoper und vieles mehr. Die besondere Aufmerksamkeit des Opernpublikums ziehen wie jedes Jahr die Premieren selten gespielter Opern auf sich. In diesem Herbst fiel die Wahl auf Karl Goldmarks Oper Die Königin von Saba" von 1875, auf Umberto Giordanos Siberia" von 1903 und auf Stanislaw Moniuszkos Oper Das Geisterschloß" 1865.
Susanne Lettenbauer hat sich die Neuinszenierungen angesehen:





Ganz kurz sei vorweg gesagt: Wenn es einen Sieger auf dem diesjährigen 48. Opernfestival von Wexford geben würde, müßte es das Gespensterschloß von Stanislaw Moniuszko sein.
Was, in Anwesenheit der irischen Präsidentin, mit dieser impulsiven Oper Strazny Dwor (auf Deutsch Das Gespensterschloß") von 1865 an Lebendigkeit und Komik auf die Bühne des kleinen Theatre Royal kam, erstaunte selbst die versierten Premierenbesucher des knapp 550 Plätze umfassenden Festival-Theaters in einer der kleinen Seitengassen der Altstadt von Wexford:

ATMO: MD Moniuszko T 1 (ab 0'30 bis 1'01)

Geschrieben in den Wirren des polnischen Befreiungskampfes 1863, mitten hinein in den beginnenden Panslawismus Osteuropas, verarbeitete Stanislaw Moniuszko, der von Zeitgenossen gern als 2. Chopin bezeichnet wurde, in seiner Oper vor allem traditionelle Musik seiner Heimat: Die Polonaise aus Polen, die Mazurka aus Weißrussland und die Krakowiak aus Litauisch-Polen.

ATMO: MD Moniuszko T 5 (0'13)

Wegen seines patriotischen Anspruches von den Polen begeistert aufgenommen wurde das Geisterschloß , bald nach seiner Uraufführung 1865 von den regierenden Russen abgesetzt. Den ganz großen Durchbruch schaffte Moniuszkos Oper im Ausland nie - die verklausulierte Geschichte über die vergebliche Hochzeitsphobie zweier polnischer Soldaten galt als zu regional und national. Aber genau dies faszinierte auf der Wexforder Festivalpremiere: Es schien als habe Polen mit dem gerade in Wien preisgekrönten Bass Jacek Janiszewski und der schon im vergangenen Jahr in Wexford gefeierten Sopranistin Iwona Hossa die beste Abordnung seines Landes nach Irland geschickt, um von polnischem Selbstbewußtsein zu erzählen:

ATMO: MD Moniuszko T 8

In der mit einfacher Bekleidung und dem polnisch-ländlichem Interieur arbeitenden konventionellen Neuinszenierung von Michal Znanecki konnte keine überraschende stilistische Revolution gefeiert werden, auch bei den anderen beiden Opern im übrigen nicht, nichtsdestotrotz wurde der Dirigent David Jones gemeinsam mit dem Regisseur Znanecki und den übermütigen Sängern Szene für Szene frenetisch bejubelt.
Mit dieser Atmosphäre einer Opera buffa konnte die Aufführung der Königin von Saba, der schwerblütigen Oper des östereichisch-ungarischen Komponisten Karl Goldmark von 1875 nicht mithalten. Die Verarbeitung des von Salomon Hermann Mosenthal geschriebenen biblischen Sujets im Jerusalem Königs Salomon und über die Liebe eines Untergebenen zur Königin von Saba, forderte mit seinen wagnerianischen Ausmaßen von über 3 Stunden das Verständnis des Publikums weit mehr heraus:

ATMO: Band Saba

In der Inszenierung von Patrick Mailler, am Pult war Claude Schnitzler, überwogen die mystischen, mehrdeutigen Anspielungen - bereits in der Wahl der langen Gewänder, und dem im Jugendstil gehaltenen Vorhang der verklärt-wuchtigen Musik folgend. Mit Anlehnungen an Verdi, Meyerbeer und Wagner zitiert Goldmark seine Künstlerkollegen mehr als das er mit der schon damals mit großen Geburtswehen 1875 in Wien uraufgeführten Oper Neues schuf.
Neues komponierte auch Umberto Giordano nicht, der Zeitgenosse Pucchinis und Mascagnis. Seiner Oper Siberia von 1903 liegt ein Libretto von Luigi Illica, einem der wichtigsten italienischen Librettisten des 19. Jahrhunderts, zugrunde. Russland und Sibirien standen auch vor 100 Jahren schon für Exotik, Weite, Kälte und für eine alles überwindende Volksseele:

ATMO: MD Siberia T 3

Es ist dem künstlerischen Leiter des Wexforder Opernfestivals, Luigi Ferrari, zu danken, daß neben vergessenen Opern auch neue Stimmen in der Opernlandschaft auftauchen, wie Dario Volonte und Massimo Giordano in den Titelrollen von Siberia. Die Schwachstellen der drei Neuinszenierungen in der musikalischen Komposition und Herangehensweise der Regisseure wurden vor allem durch die Stimmgewalt junger Sänger und Sängerinnen ausgeglichen. Nicht umsonst gelingt einigen von ihnen hinterher unter Umständen der Sprung an die großen Opernhäuser.
Aber noch einmal zurück zu Stanislaw Moniuszkos Geisterschloß: Spätestens jetzt wissen die wenigen Iren, die vor einem halben Jahr eine Karte für das begehrte Opern-Festival ergattern konnten, was polnisches Selbstbewußtsein bedeuten kann:

ATMO: MD Moniuszko T 13 + Schlußapplaus