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Anmoderationsvorschlag: Die Münchner Kammerspiele haben sich zum Ende der Spielzeit noch einmal ein großes Werk vorgenommen - Shakespeares Cymbelin aus der Zeit um 1609. Nach König Lear hat Regisseur Dieter Dorn nun dieses selten gespielte Werk aus der Spätzeit Shakespeares auf die Bühne gebracht. Ein Marathonlauf von fünf Stunden ist daraus geworden.
Susanne Lettenbauer aus München:
Wann das Stück zum letzten Mal sehenswert inszeniert wurde weiß heute fast keiner mehr. Bald dreißig Jahre sind es her sein, daß ein Regisseur Shakespeares Spätwerk Cymbeline in Angriff genommen hat - der Grund dafür ist eher fraglich, wenn man nach dem Fünfakter wieder auf der Maximilianstraße steht. Im Gegensatz zu Shakespeares Historiendramen hat das zu den Romanzen zu zählende Werk Cymbelin- ein erfrischendes, unerwartetes Happy-End, das in einem gloriosen Abgang endet. Doch bis dahin ist es weit . Am Anfang beginnt alles mit einem Lachen: O-Ton: Atmo Cymbeline stehenlassen, dann abblenden, darauf: Was könnte man anderes tun als lachen bei der so verworrenen Handlung, die Shakespeare vor uns ausbreitet ? Es geht um Menschen und um das Leben. Shakespeare beweist es - das Leben ist komisch und tragisch genug, um das ganze Werk mit einem Gelächter zu beginnen. Und der Hofmann, der da aus vollem Halse lacht, führt dem Zuschauer zur Introduction alle handelnden Personen vor, (kurz Atmo wieder hoch) angefangen mit dem einfältigen Cloten, Sohn der Königin aus früherer Ehe, dann kommt der König Cymbelin samt Königin, gefolgt von Posthumus Leonatus und seiner Gattin, der Königstochter Innogen begleitet von zwei Hoflords. Die Geschichte ist so verknäult und bunt und tragisch-lächerlich wie die Welt aus der sie ihren Stoff nimmt. Das Chaos aus Intrige, Liebe, Verrat und Eifersuch, Giftmischerei, Krieg und Kindesentführung erinnert an die tägliche bare Wirklichkeit menschlicher Welten. Der Hausherr an den Münchner Kammerspielen, Dieter Dorn, hat als Regisseur des Stückes die vielen unterschiedlichen Handlungsstränge originalgetreu inszeniert, so daß der Zuschauer sich fünf Stunden lang auf die Welt Shakespeares mit seinen oftmals komplizierten Sonetten einlassen muß, um die Inszenierung auf der nahezu leeren Bühne zu genießen. Aber es ist wirklich schwierig, sich der abwechslungsreichen, neuen Übersetzung von Michael Wachsmann zu entziehen. In abwechselnd streng klassischen Reimen und saloppem modernen Straßenjargon entspinnt sich auf der Bühne der Kammerspiele der Streit zweier Männer um eine Frau. Shakespeare hat in Cymbeline das alte Thema von der Prüfung der Ehefrau durch einen Fremden aufgegriffen, der mit dem Ehemann eine Wette um Treue oder Untreue der nichtsahnenden Frau geschlossen hat. Posthumus Leonatus fällt auf die List seines italienischen Herausforderers herein und das Mißtrauen der Gatten gegeneinander ist die Folge. Wie sich letztlich dieses Mißverständnis zerstreut und in Wohlgefallen auflöst, dazu braucht Shakespeare den treuen Diener Pisanio, zwei verschollene Königssöhne, die zum Schluß wieder auftauchen und einen Krieg zwischen Cäsar und Brittanien. Nur einer muß dabei sein Leben lassen - der einfältige Cloten. Aber das tut er so unterhaltend und komisch, daß sein unbekümmertes Wortgeplänkel bis über seinen Tod durch einen der Königssöhne hinaus, im Raum stehen bleibt. Die Figur, die dem Stück einen Halt und Mittelpunkt gibt, ist Innogen, die Tochter Cymbelins. Mit ihr steht in München das erste Mal seit vier Jahren wieder die Schauspielerin Sunnyi Melles auf der Bühne, die nach der Hochzeit mit dem Prinzen von Salm zu Wittgenstein eine Pause wegen der Geburt ihrer zwei Kinder einlegte. Cymbelin ist das erste Stück, daß sie nach den vier Jahren Bühnenabsenz wieder spielt, kein schlechter Einstieg, ist sie überzeugt: O-Ton: Wir haben ja jetzt die Voraufführung gehabt...als Einheit fühlt. als eins. (2) Gemeinsam mit Rudolf Wessely als Cymbelin, Helmut Stange als treuer Diener Pisanio oder Stephan Kampwirth als Cloten - dabei nicht zu vergessen Gisela Stein als Jupiter - reißt die Zuschauer der Spaß der Schauspieler am Stück mit. Melles selbst ist es unverständlich, warum das Stück so selten aufgeführt wird, hält sie doch persönlich viel von dem zum großen Teil untypischen Stück Shakespeares und ihrer Rolle als Innogenes: O-Ton: Bei ihr ist es so,...mit dem größten Leid, was man hat, aufzugeben. (10) Daß alles doch noch gut endet, nach Zwietracht und Krieg, Mißtrauen und Eifersucht, das hat Cymbeline der Realität voraus und damit trägt das Stück bereits einige märchenhafte Züge, die Shakespeare in seinem späteren Werk The Tempest endgültig gefunden hatte. Neben Schlagfertigkeit und Witz hält vor allem Situationskomik das Stück zusammen und läßt Charakterkomik entstehen, die noch durch gegenwartsbezogene Einfälle des Regisseurs verstärkt werden. So verschweigt Dorn nicht seine Kritik am EURO und den Währungsdiskussionen der vergangenen Zeit, auch treibt er seinen Spott mit dem vertrackten System der Falk-Stadtpläne, die durch ihre komplizierte Falttechnik schon manchen zur Verzweiflung gebracht haben. Eine andere Idee von Dorn ist das Einfrieren der Schlachtszenen, ein mit viel Beifall bedachter Einfall. Die Zeit ist mißlich, so das Credo des senilen Königs. In diesen Momenten hat man das Gefühl, Shakespeare ist trotz seiner mystischen Szenen so modern daß er im klassischen Globe-Stil die Zuschauer unterhalten, sie mit Humor und Satire, mit dem Veralbern des eigenen Werkes einbeziehen kann und damit eine Art Volkstheater schafft. Und das macht er so erfrischend und vergnüglich, daß auch knappe fünf Stunden nicht langweilig werden können. |