Zeugnisse erster Gastarbeiter auf deutschem Boden - die Trullis von Rheinhessen

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Die Rebzeilen, die sich über die flachen Hügel ziehen, leuchten tiefgelb bis dunkelrot, die braune Erde zwischen den Weinstöcken ist aufgewühlt von den Maschinen, die rund um Flonheim die Erntehelfer ersetzt haben.

Hier, wo man vom Hügel aus den Rhein sieht und sonst nur Weinberg an Weinberg sich reiht, stehen sie in Sichtabstand- die Trullis.

Der größte von ihnen leuchtet von einer Anhöhe herüber Er dient heute als geografischer Fixpunkt. Ein anderer, im Weinberg gegenüber ist klein und bucklig.

Von einem dritten der 8 Trulli bei Flonheim leuchtet hinter mannshohem Ginster- und Hagebuttengestrüpp nur das Weiß der Spitze. Es ist ein rundes Häuschen, Stein auf Stein gemauert, das oben spitz zuläuft und in einem Vierkantknauf endet. 5 Meter hoch reckt sich der Trullo - über dem Eingang ist die Jahreszahl 1756 eingemeißelt.

Ob in jenem Jahr das kleine Weinberghäuschen gebaut oder nur rekonstruiert wurde, darüber sind sich die Winzer der Gegend nicht einig. Es wird eifrig spekuliert.

Wahrscheinlich ist, daß italienische Gastarbeiter aus Apulien, die in den nahegelegenen Steinbrüchen den Sandstein für den Kölner Dom brachen, die Trullis als Unterstand gebaut haben. So erzählt es jedenfalls die Winzerin Jutta Ziemlich-Müller, die gleich in der Nähe wohnt, ihren Kindern:

O-Ton: (0230...0270) "Die haben auch schon von mir gehört... hierhergetragen wurde im 18. Jahrhundert"

In ihrem Garten steht auch ein Trullo, weiß wie ein Iglu, lustig wie eine Zipfelmütze, nur... für ihr Haus und für die Umgebung ist er eine Besonderheit: Er wurde als überdachter Brunnen gebaut:

O-Ton: (0036...0080) "das gehörte immer dazu und unsere Kinder wissen das genauso...unser Trullo ist unser Brunnenhaus...weil unser Wasser daraus kommt."

Das grelle Weiß des Brunnenhäuschen lockt immer wieder vorbeifahrende Fremde aus ihren Autos, denen Jutta Müller bereitwillig die Geschichte des Trullo erzählt. Dabei gibt es nicht nur kunstwissenschaftliches zu erzählen...daß es sich hier nämlich um einen Kragkuppelbau handelt...sondern auch tragisch menschliches wie die alte Geschichte von der unglücklichen Frau Müllerin, von der man nur noch die Schuhe vor dem offenen Brunnenhäuschen fand.

In Rheinhessen, wo jeder größere Wingert', wie ein Weinberg in der Mundart heißt, sein viereckiges Häuschen mit Ziegeldach hat, wirken die Trullis fremdländisch. Die auffallende weiße Farbe, mit denen sie gestrichen wurden, sind erst eine Erfindung dieses Jahrhunderts:

O-Ton: (0280...0350) "in unserer Region waren sie fast immer nur Sandstein...sieht es vielleicht apulischer aus"

Für die Bewohner von Flonheim sind die weißen Häuschen nichts besonders Bemerkeswertes, da sie mit ihnen aufgewachsen sind. Man wandert an ihnen sonntags vorbei, picknickt im Sommer in der angenehmen Kühle des Inneren.

Aber für eines sind die kleinen Zuckerhuthäuschen unentbehrlich: "Wenn einem zu Hause die Decke auf den Kopf fällt", so heißt es in Flonheim, "dann geh zum weißen Häuschen".