Die Übriggebliebenen - die deutsche Minderheit in Klaipeda (dt.Memel)/ Litauen
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Anmoderationsvorschlag: Die Geschichte der Stadt Klaipeda, die zu deutscher Zeit Memel hieß, ist über mehrere Jahrhunderte mit der deutschen Geschichte verbunden. Bis nach dem ersten Weltkrieg gehörte das Memelland zu Ostpreußen, dann zu Litauen, zur Sowjetunion und jetzt wieder zu Litauen. Bis heute gibt es in dem kleinen Gebiet nördlich des Flusses Nemunas, auf deutsch Memel, noch rund 4000 Deutsche, die zumeist als Kinder nach dem 2. Weltkrieg dort zurückblieben. Mit perestroia und Glasnost konnten sich die "Wolfskinder", wie sie auf russischer und litauischer seite genannt werden, vor 7 Jahren erstmals wiederfinden. Und die Frage tauchte auf, wer sind wir, wozu gehören wirß
Die Probleme und Identifikationsschwierigkeiten einer kleinen
deutschen Minderheit an der litauischen Ostseeküste versucht
Ihnen Susanne Lettenbauer näherzubringen: BAND: A. Vor gut zehn Jahren kannten sich die meisten... E. ...an ihren Wurzeln, wo auch immer die liegen mögen.
Skript Die Übriggebliebenen - die deutsche Minderheit in Klaipeda (dt.Memel)/ Litauen
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Vor gut zehn Jahren kannten sich die meisten deutschstämmigen Litauer gar nicht. Der Eintrag im Paß als "vokietis", als Deutscher, hatte zu Sowjetzeiten häufig genug Repressalien zur Folge, so daß sich keiner als ein solcher zu erkennen geben wollte. Als Nazis waren sie verschrien, als Herrenmenschen. Umso erstaunter waren jene Litauer, die erst nach dem Krieg aus anderen Teilen Litauens im ehemaligen Memelland angesiedelt wurden, als sich mehr und mehr scheinbar gute, alte Bekannte zu ihren deutschen Wurzeln bekannten, obwohl etliche kein Wort Deutsch mehr sprachen Als Kinder waren diese "alten Bekannten" - zum größten Teil elternlos - aus Ostpreußen nach Litauen geflohen und hatten ihre Muttersprache verlernt. Eine Frau, die dem Phänomen Identifikation recht gründlich auf die Spur kommen kann, ist die Direktorin der Deutschen Schule von Klaipeda, Angele Klitiene. Mit den begabten und fleißigen Schülern , die bereits alles verstehen können, wollte sie zur Probe eine Arbeitsgemeinschaft deutsche Geschichte und Geografie in deutscher Sprache zum Leben erwecken, aber: O-Ton: Leider, leider Die Deutsche Schule, die seit Januar Hermann-Sudermann-Intenatsschule heißt, feiert jetzt im September ihr 5jähriges Jubiläum. Nach Plänen, die bis weit in die Sowjetzeit reichen, wurde diese Schule am 1.September 1992 von dem litauischen Bildungsministerium und dem "Verein der Deutschen in Klaipeda" eröffnet. Vor allem die Älteren wollten für ihre Enkel eine Möglichkeit schaffen, in Litauen an einer deutschen Schule Deutsch zu lernen. Bis heute haben sich etwa 4000 Litauer in dem Verein der Deutschen in Klaipeda zusammengefunden. Wöchentlich treffen sich die Älteren und Jüngeren im Simon-Dach-Haus, einer Einrichtung, die vom Auswärtigen Amt Deutschlands eingerichtet wurde. Außerdem gibt es in diesem Haus noch den Verein "Edelweiß" und die Organisation der Wolfskinder, jener deutschen Waisen, die nach dem 2.Weltkrieg von Litauern aufgezogen wurden. Das Simon-Dach-Haus steht am Rande der Altstadt von Klaipeda und fällt schon allein durch sein Äußeres auf. Frisch renoviert und seit Dezember 1996 offen, kann es Neid erregen in der tristen, morbiden Umgebung und das tut es auch. Nicht nur einmal wurde die Leiterin Edita Surblyte gefragt, wieviel sie wohl in DM verdiene. Die Antwort: 600 Litai, Kopier-, Fax, und Telefongebühren inbegriffen. Gemeinsam mit ihrer Assistentin Silke Brohm aus Berlin improvisiert sie Veranstaltunen, kostenlose Sprachkurse oder überraschen angekündigte Ausstellungen vom Goethe-Institut Riga. Daß dabei nicht immer alles in deutscher Sprache abläuft, liegt daran, daß die Autorenlesungen oder die Veranstaltungen zur memelländischen Geschichte öffentlich sind. Aber auch trotzdem die deutschen Sprachkurse kostenlos sind, halten die wenigsten Schüler bis zum Schluß durch. Sie verbindet etwas anderes, etwas was im Simon-Dach-Haus ebenso vorhanden ist, wie an der Deutschen Schule: O-Ton: Aus der litauischen Bevölkerung gab und gibt es hin und wieder Anfeindungen gegen die Schule, gegen den Verein, aber daneben erfahren die Vereinsmitglieder auch Unterstützung und Anerkennung von Litauern. Ein Problem, dem sich der Verein immer wieder gegenübergestellt sieht, ist die Frage nach der Deutschstämmigkeit. Wie ist es mit Leuten, die den Vermerk "vokietis" nicht im Paß hatten, kein Deutsch sprechen und doch Deutsche sein wollen? Oft ist es die einzige Möglichkeit, den Beteuerungen zu glauben, dem Gefühl nachzugeben. Wer mag schon über Identifikation streiten. Auch die Deutsche Schule muß damit umgehen. In ihrer Satzung steht dazu, daß wenigstens ein Großelternteil Deutscher sein muß. Und das werden scheinbar immer mehr, was die Direktorin Angele Klitiene natürlich freut: O-Ton: Die Schule wird leben Es ist eine Gradwanderung für den Verein der Deutschen in Klaipeda und die Deutsche Schule, im ehemaligen Memelland keine alten Ressentiments gegen die Vokiesciai, die Deutschen aufleben zu lassen. Und dabei ist das reale Deutschland in den Köpfen der Litauendeutschen ziemlich weit weg. Sie leben in der Geschichte...vor allem in der des Memellandes und die reicht ja zurück bis in die Zeiten des Deutschen Ordens. Wie für alle anderen Deutschstämmigen außerhalb Deutschlands sind für sie die politischen Verhältnisse und das gesellschaftliche Leben in der deutschen Ferne genauso fremd wie für die Einheimischen, die Litauer.
Nur hängen sie an ihrer Identität, an ihren Wurzeln,
wo auch immer die liegen mögen. |