NDR 4 Horizonte

Sendedatum: 14.04.98

Sendezeit: 10 -12 Uhr, Länge: ca.4'32


Ostseeweit gegen die Mafia -

Zusammenarbeit zwischen Polizeibeamten aus M-V und litauischen Polizeibeamten

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Anmoderationsvorschlag:

Wenn man heutzutage von der Mafia redet, meint man immer häufiger den russischen Ableger dieser Form der organisierten Kriminalität. Seit dem Ende der Sowjetunion ist die Tätigkeit der russischen Mafia auch in Deutschland spürbarer geworden und man begnet dem an der Ostsee mit immer neuen Methoden.

Seit 5 Jahren ist das Land Mecklenburg-Vorpommern bemüht, neben der Kooperation mit der polnischen Polizei auch Kontakte zum litauischen Innenministerium aufzubauen. Denn wenn es auch keine gemeinsame Grenze zwischen den beiden Staaten gibt, gibt es doch die Fähre Klaipeda-Mukran, die geschützt werden soll.

Bestand die Zusammenarbeit bis vor kurzem noch aus Lieferungen von dt. Polizeifahrzeugen an litauische Dienststellen, soll die Hilfe nun auf Gegenseitigkeit beruhen. Dazu werden seit vergangenem Monat Polizeibeamte aus M-V nach Litauen entsandt.

Susanne Lettenbauer hat mit den Beamten gesprochen:

BAND: A. Der Polizeibeamte Helmut Wiemeyer, ein...

E. ... Und das ist schon sehr viel verlangt.

Skript

Ostseeweit gegen die Mafia -

Zusammenarbeit zwischen Polizeibeamten aus M-V und litauischen Polizeibeamten

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Der Polizeibeamte Helmut Wiemeyer, ein schlanker Mann um die vierzig, ist bereits seit 20 Jahren bei der Polizei in Mecklenburg. Gemeinsam mit vier anderen Kollegen gehört er seit einem Jahr der Stabsstelle "Interne Revision" in Schwerin an, die sich mit organisierter Kriminalität, Amtsdelikten und der Korruptionsbekämpfung in den eigenen Reihen befaßt.

Helmut Wiemeyer ist einer von den drei Polizisten, die aufgrund ihres Aufgabenbereichs vom Innenministerium des Landes M-V nach Litauen geschickt werden, um dort neue Erfahrungen zu sammeln, die ihm in der Heimat nützlich sein könnten:

Das ist aus meiner Sicht eine sehr beispielhafte Geschichte, die hier vom Innenministerium M-V initiiert wurde. Da haben wir, muß ich sagen, auch noch keinen sehr breiten Erfahrungsschatz und da erhoffe ich mir natürlich von den Kollegen die eine oder andere Information, wie die herangehen an die Dinge. Ich weiß, daß es etwas vergleichbares dort gibt und da werde ich mich natürlich auch hinterhängen, um da so viel wie möglich Informationen zu bekommen, die ich für unsere Arbeit hier verwenden kann. (1)

Die Reise nach Litauen beginnt für Wiemeyer jetzt nach den Osterfeiertagen. Was genau ihn dort erwartet, weiß der Beamte noch nicht. Er kann sich nur vorstellen, daß es zumindest mit der Verständigung problematisch werden könnte:

Ich habe mehrere Jahre Russisch gelernt, habe auch einige Kenntnisse im Englischen, aber ich will gerne eingestehen, daß das sicherlich eines der Probleme sein wird dort, die Verständigung. Ich habe auch schon einige Kollegen kennengelernt, die bei uns in der Landespolizeischule zu Besuch waren. Ich war positiv überrascht, daß die sehr gut Deutsch sprechen konnten und nun hoffe ich natürlich, daß ich möglichst viele Kollegen antreffe, die das auch können. Aber ich denke, ich bin aufgeschlossen, nicht weltfremd und da wird sich einiges machen lassen. (2)

Flexibilität ist gewissermaßen das Programm der vier Wochen seines Aufenthaltes. Koordiniert vom Innenministerium der litauischen Hauptstadt Vilnius, wird für Helmut Wiemeyer der Aufenthalt nach seinen Wünschen gestaltet. Von den praktischen Polizeiaufgaben wie Streife laufen oder gemeinsam Einsatz fahren bei der Verfolgung von Verdächtigen bleibt er aber augeschlossen, denn die Kriminalitätsbekämpfung ist Hoheitsaufgabe des Staates und da läßt sich auch Litauen nicht gern zu tief in die Karten gucken. Diese Erfahrung hat ein anderer Polizeibeamter aus Schwerin seinem Kollegen Wiemeyer voraus.

Bernd Möbius ist gerade erst aus Litauen zurück - mit weniger Idealismus, dafür aber mehr objektiver Erfahrung:

Ich bin dort über die Arbeitsweise und die Möglichkeiten der Kollegen, die dort geschaffen wurden, an sich positiv überrascht gewesen und habe auch die Erwartungen, die ich hatte, dort bei weitem übertreffen können. Sagen muß ich natürlich auch, daß ich im Rahmen der Vorgaben auch andere Ansätze hatte. Ich wußte gar nicht, was auf mich zukommt, welches Programm ist festgelegt und war natürlich dort auch mit vielen Erwartungen angereist und an sich sind diese Erwartungen auch bei weitem erfüllt worden. Was für mich auch natürlich sehr wesentlich ist, daß ich dort Land und Leute kennenlernen konnte und konnte die bereits bestehenden freundschaftlichen Beziehungen zu einigen Litauern noch vertiefen und neue Freunde gewinnen, was sich natürlich auch positiv auswirken wird auf die Zusammenarbeit der Polizei. (4)

Auf der Dienststelle, die er für einige Tage besuchte, mußte er aber auch die Erfahrung machen, daß er nicht unmittelbaren Einblick in die brisanten Mafiafälle bekam, weil diese geheimdienstlichen Charakter haben.

Helfen konnte er in Litauen bereits trotzdem:

Das war ein Beispiel, ein Kooperationsverfahren, in dem ein höherer Beamter dort gefälschte Papiere ausgestellt hatte zur Zulassung von Kraftfahrzeugen und dies wurde dann in einer Folge von Informationen festgestellt und dementsprechend eingeleitet. Nun hatten die Kollegen das Problem, diese Fahrzeuge zuordnen zu können, wo die überhaupt herkommen und da konnte ich natürlich unmittelbar mithelfen. Die wußten nicht, wie sie da unmittelbar verbleiben konnten und da konnte ich natürlich auf unsere Dateien zurückgreifen und denen dort konkret helfen. Es gab auch andere Verfahren, die ich natürlich nicht so kannte in Deutschland, daß dort z.B. Kinder aus Litauen in andre Länder regelrecht verkauft wurden und das geht natürlich nur mit Bestechung und Korruption in bestimmten Amtsstuben, sonst ist das nicht möglich. (6)

Von den Berichten seines Kollegen Möbius weiß Wiemeyer also, was auf ihn zukommen kann, aber nicht unbedingt muß. Spontanes Handeln und Flexibilität gehört zu den Stärken der Litauer, die man sich zum Vorbild machen könnte - davon ist auch Ministerialrat Ralph Schubert überzeugt. Aber er weiß, daß allein die unterschiedlichen Gesetze der beiden Länder einen direkten Vergleich oder gar Übernahmen bestimmter Methoden verbieten.

Den Sinn des Austauschprogramms und der regelmäßigen Gespräche zwischen den beiden Innenministern sieht er darin:

...daß wir ja bei der internationalen Zusammenarbeit ja auf zuverlässige und uns wohlgesonnene Partner angewiesen sind. ()

  • Das heißt also, daß wichtige Nachfragen zu bestimmten Personen oder Fahrzeugen bei den östlichen Polizeidienststellen nicht wie früher nach einem Jahr noch nicht bearbeitet sind, sondern daß nach 4-6 Wochen die konkrete Antwort auf dem Tisch liegt. Das heißt für Helmut Wiemeyer während seines 4wöchigen Aufenthaltes in Vilnius, Schaulen, Klaipeda oder Kaunas: persönliche Kontakte suchen, Gespräche über die alltäglichen Probleme in Litauen führen und vielleicht Freundschaften aufbauen. Und das ist schon sehr viel verlangt.