Lettland heute

Gegenwart in einem baltischen Land mit EU-Ambitionen

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Anmoderationsvorschlag:

War es Absicht oder nicht - genau zum 6.Jahrestag der Unabhängigkeitserklärung der Republik Lettland hatte am 21. August das Gusta-Stresemann-Institut Bonn zu einer lettischen Kooperationsbörse geladen, eine Börse, bei der lettische und deutsche Firmen einander kennenlernen und im besten Falle zu Wirtschaftspartnern werden sollten.

Der zweitägige Allroundschnellkurs zum Kennenlernen der Republik Lettland drehte sich dann letzlich vor allem um die aktuelle Lage der Wirtschaft, Politik, Landwirtschaft, des Umweltschutzes und der Bildung.

Die wichtigsten Punkte faßt Susanne Lettenbauer zusammen:

BAND: A. Lettland fühlt sich seit der Agenda 2000 ziemlich allein gelassen...

E.... Sie annehmen sollte das Ziel sein.

Skript

Lettland heute

Gegenwart in einem baltischen Land mit EU-Ambitionen

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Lettland fühlt sich seit der Agenda 2000 ziemlich allein gelassen.

Seit die EU-Komission in ihrem Papier von den baltischen Staaten nur Estland zu Beitrittsgesprächen vorgeschlagen haben, rotieren die lettischen Politiker, um diesen noch stehenden Zug nicht zu verpassen. Sie fahren umher und suchen Helfer, Investoren, Interessenten, zum Beispiel auf der Lettischen Kooperationsbörse in Bonn vor einigen Tagen. Daß Lettland eigentlich seinem Nachbarland ebenbürtig ist, soll immer wieder gezeigt werden.

Und dazu werden Zahlen und Fakten, die der EU-Komission zur Beurteilung vorlagen, schon mal als zwar nicht falsch, aber als eben doch unrichtig dargestellt. Man hatte in Lettland die Zahlen noch einmal genauer geprüft und war zu ganz anderen Ergebnissen hinsichtlich der EU-relevanten Fakten gekommen.

Dabei braucht sich Lettland mit seiner Entwicklung seit der Unabhängigkeitserklärung vor genau 6 Jahren nicht zu verstecken. Zwar gab es in dieser Zeit mehrere Regierungskrisen, eine große Bankenkrise im vergangenen Jahr und Rückschläge in der Kriminalitätsbekämpfung, aber eine Senkung der Inflationsrate auf voraussichtlich 8% in diesem Jahr durchaus als Erfolg bewertet werden.

Eine Fortsetzung dieser Reformen ist von dem seit dem 7.August amtierenden neuen Premierminister Guntars Krasts von der Partei "Für Vaterland und Freiheit" zu erwarten.

Einer, der die Entwicklung Lettlands von Deutschland aus kritisch beobachtet, ist der ehemalige deutsche Botschafter von Lettland, Hagen von der Wenge Graf Lambsdorff. Er kennt die politischen Gepflogenheiten von Riga, kann mit der Vielzahl von Fraktionen im lettischen Parlament umgehen und sieht den Wechsel an Lettlands Regierungsspitze optimistisch:

O-TON: Ich halte das für einen...dabei ist, das zu tun. 1638-1660

Daß die Agenda 2000 mit ihren Empfehlungen Lettland nicht berücksicht hat, die baltischen Staaten Litauen und Lettland aber dennoch in einigen Jahren auf EU-Tauglichkeit prüfen will, empfindet er nicht als tragisch:

O-TON: Ich würde das nicht als Beruhigung...das ist schon mehr. 1526-1548

Eine immer geringer werdende Mehrheit von Letten möchte dem natürlich glauben, auch wenn sich in die Zuversicht immer mehr Skepsis gegenüber der EU mischt. So können Landwirte nicht verstehen, daß die jetzige Milch ihrer Kühe nicht EU-Standarts entsprechen und daß sie unter Umständen ihr Land für Prämien brachlegen sollen, damit der Absatz von EU-Produkten nicht gefährdet wird.

Die größte Sorge bereitet den landliebenden Letten aber die Aussicht, daß mit einem EU-Beitritt Ausländer Land erwerben dürfen. Dabei sind nicht einmal die Westeuropäer gefürchtet, sondern die Russen, von denen gemunkelt wird, daß sie ganz Lettland kaufen könnten - auch ohne Krieg.

Aber weg von den Vermutungen zu den Tatsachen:

Zur Zeit läuft die "2.Bodenreform" wie es Janis Lapse, Staatssekretär im Landwirtschafts-ministerium Lettlands gerne bezeichnet. Die Übergabe von Ländereien zur Nutzung an die ehemaligen Besitzer wird jetzt ergänzt durch die Eintragung in die Grundbücher, so daß die Nutzer auch wieder Eigentümer werden und damit verkaufen können. Dieser Prozeß ist noch nicht abgeschlossen, beinhaltet aber die Tatsache, daß die russische Mafia über Strohmänner bereits etliche Hektar Land gekauft hat - mit welchen Mitteln auch immer. Zusammengelegt werden die durchschnittlich 3,6 ha großen Felder aber trotzdem nicht. Als Betrieb wird man steuerpflichtig, als einzelner Landwirt nicht.

Die Privatisierung, die nach Meinung der EU zu schleppend vorangetrieben wird, könnte Mitte nächsten Jahres abgeschlossen sein. Die ganze Aufmerksamkeit, die derzeit dem Verkauf an Privat gewidmet ist, gilt dem Getreide-Sektor im Hafen von Riga sowie der lettischen Nachrichten-agentur LETA.

Das größte Manko sind aber immer noch die fehlenden Investoren. Zwar erhält Lettland eine große Unterstützung aus Deutschland von seinem Partnerland Nordrhein-Westfalen, doch auch dort hält sich die Industrie eher zurück. Ein Novum in der Beziehung zwischen Deutschland und Lettland war eine Delegationsreise der Außenwirtschaftsabteilung vom Verein des Deutschen Maschinenanlagenbaus. Mit diesen Besuchern aus 28 Betrieben wurde das erste Mal eine einzige, konkrete Industriebranche vertreten, die die 14% des lettischen Außenhandels mit Deutschland stabilisieren wollen.

Hilfe von Deutschland gab es auch für den Umweltbereich, für die Kläranlage von Riga und den Ausbau des Ölhafens von Liepaja. Damit soll der seit Jahren geplante Neubau eines Ölhafens an der Grenze zu Litauen unterbunden werden, ein Bestreben, das auch Indulis Emsis, dienstältester Staatsminister für Umwelt und regionale Entwicklung unterstützt:

O-TON: Ich persönlich finde...baltische Region in unseren Ländern. 1670-1836

Unstrittig ist jedoch, daß die wichtigste Anforderung, die Integrierung der Nichtletten, der zum größten Teil in Lettland geborenen Russen, noch immer einen Schwachpunkt der lettischen Politik darstellen.

Das wird auch in Lettland so gesehen, doch lassen sich 50 Jahre Sowjetunion nicht so leicht verdrängen und ein freundliches Auftreten gegenüber den Nichstaatsbürgern nicht forcieren, auch im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten in der Saeima, dem lettischen Parlament nicht, dem Paulis Klavins vorsteht:

O-TON: Es ist nicht gerade so, daß wir gegen...wie die gesellschaftl. Entwickl. weitergeht. (bis 047)

Problematisch ist für den Ausschuss auch, daß sich bisher nur knapp 10% der Nichtstaatsbürger für einen lettischen Paß entschieden hätten, dem der obligatorische Sprachtest vorausgehe, der von der OSZE regelmäßig kritisiert wird und deshalb bald einige Veränderungen erfahren soll:

O-TON: Zum Beispiel die Gebühren müßten niedriger sein...wie alles sich entwickelt. 0283-0297

Klavins hinterläßt den Eindruck, daß in Lettland gewartet wird auf die Dinge, die da kommen. Natürlich gibt es nach 6 Jahren Unabhängigkeit noch genügend Probleme in Lettland. Seien es Nachwehen des Sozialismus oder Geburtswehen der Marktwirtschaft.

Seine Geschichte kann man ebensowenig ablegen wie seine Mentalität. Sie annehmen sollte das Ziel sein.